Capability-Ansatz

Capability-Ansatz

Eine kurze Einführung

Der von Amartya Sen und Martha Nussbaum entwickelte Capability Ansatz ist ein international zunehmend diskutierter Ansatz zur Analyse individuellen Wohlergehens. Das Wohlergehen hängt nach diesem Ansatz davon ab, was ein Mensch tut oder ist, – seinen erreichten Funktionen (achieved functionings) – und dem, was ein Mensch zu tun oder zu sein in der Lage ist, – seinen Verwirklichungschancen (capabilities).
Um eine Funktion wie bspw. „mobil sein“ zu erreichen, muss das Individuum sowohl bestimmte Güter oder Ressourcen zur Verfügung haben (wie z.B. ein Fahrrad), als auch befähigt sein, diese Güter zu nutzen (also Radfahren zu können). Formal sind daher die Verwirklichungschancen einer Person abhängig von ihren Ressourcen (abgebildet in Form der Budgetmenge) einerseits und von Fertig- und Fähigkeiten sowie ihren Behinderungen (abgebildet als Menge persönlicher Technologien)andererseits. All jene Lebensweisen, die für eine Person aufgrund sowohl der materiellen Bedingungen wie auch ihrer persönlichen Eigenschaften erreichbar sind, stellen Elemente ihrer Menge an Verwirklichungschancen (capability-set) dar. „Erreichte Funktionen“ bezeichnet jene Lebensweise (oder Kombination von Funktionen), die eine Person aus ihrer Menge an Verwirklichungschancen auswählt. Das Wohlergehen der Person ist nach dem Capabiltiy-Ansatz dann eine Funktion sowohl der erreichten Funktionen als auch der Menge an Verwirklichungschancen, also aller erreichbaren Funktionen. Anders gesagt hängt das Wohlergehen einer Person von der erreichten Lebensweise und von der Freiheit, sich für eine Lebensweise zu entscheiden zu können, ab.
Viele Disziplinen kreisen um die Natur und Konzeption menschlichen Wohlergehens. Die Forschung konzentrierte sich dabei für lange Zeit entweder auf wohlfahrtsökonomische Ansätze, welche Wohlfahrt in Geldeinheiten misst, oder auf utilitaristische Ansätze mit ihrem Fokus auf mentale Zustände wie Glück, Nutzen und Zufriedenheit. John Rawls hat in seiner „Theorie der Gerechtigkeit“ (1971) vehement für die Beachtung von Rechten und anderen prozeduralen Überlegungen bei der Betrachtung und Bewertung des menschlichen Wohlergehens argumentiert. Aber erst dem Capability Ansatz ist es gelungen, sowohl das Konzept für eine Erfassung des menschlichen Wohlergehens auf eine multidimensionale Basis zu stellen als auch das Fundament für Forschung in vielen Disziplinen und für interdisziplinäre Studien zu einer Reihe von Fragen zu schaffen wie bspw. der Analyse und Messung von Armut, der Gesundheitspolitik, Gerechtigkeit in der Bildung, Partizipation, Bewertung von Entwicklungshilfeprojekten sowie Erfassung und Vergleich des Lebensstandards. Der Capability-Ansatz findet heute in solch unterschiedlichen Disziplinen wie Wohlfahrtsökonomie, Ethik, Entwicklungspolitik, Ethik der Entwicklungspolitik, Soziologie, Gesundheitsökonomie, politische Philosophie, Erziehungswissenschaften und Psychologie Verwendung. Des Weiteren beziehen sich auch Politiker auf den Ansatz zum Beispiel in Form der Berichte zur menschlichen Entwicklung, den Armuts- und Reichtumsberichten der deutschen Bundesregierung und beim Konzept für die Sozialberichterstattung der Europäischen Union.
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